Übungsfragen Klausur HS 15
Gegeben sei die folgende Erklärung: „In der Schweiz ist der Grad der sprachlichen Homogamie so relativ hoch, weil die Sprachgruppen so getrennt voneinander leben.“ Stellen Sie diese Erklärung mit dem Hempel-Oppenheim-Schema formal da und benen- nen Sie die Komponenten! (6 P)
Prozessmodelle beschreiben typische Sequenzen von Entwicklungen.
Dabei werden in einem Modell bestimmte Annahmen über die Logik der Situation, Logik der Selektion und Logik der Aggregation verknüpft.
(zu S03: Erklärung in der Soziologie) Explanandum muss wahr sein (1 P), im Explanans tatsächlich logisch enthalten sein (1 P), Explanans muss mindestens ein allgemeines Ge- setz enthalten (1 P), empirischen Gehalt besitzen und empirisch geprüft sein (1 P).
Schwellenwertmodelle werden für die Erklärung sozialer Proteste verwendet.
Dabei gibt es eine Trittbrettfahrerproblematik, die wir zunächst betrachten müssen.
– collective action problem, freerider problem
Im kollektiven Handeln geht es um „öffentliche Güter“, gekennzeichnet durch:
1. Nichtrivalität im Konsum
Man profitiert nicht weniger davon, wenn eine zusätzliche Person profitiert.
2. Nichtauschliessbarkeit
Man kann niemanden daran hindern, davon zu profitieren.
Klassische Beispiele:
– Frieden, Deiche, Schutz vor Radioaktivität, Normen, Wahlen, Lohnerhöhungen
(zu S 07: Situationen und Institutionen) (a) proskriptiv: nicht links fahren, präskriptiv: rechts fahren; (b) formelle Norm, weil die Polizei als Erzwingungsinstitution fungiert (je 1 P), (c) konjunkt insofern, als alle Autofahrer davon profitieren, disjunkt insofern, als absichtliche Geisterfahrer von der Nutzung des kürzesten Weges nach Hause abgehalten werden, um die normalen Autofahrer zu schützen (2 P)
(zu S 07: Situationen und Institutionen)Intrarollenkonflikt: z.B. bei sich zeitlich über- schneidenden Lehrveranstaltungen, Interrollenkonflikt: zwischen Anforderungen der Uni und der Berufstätigkeit
(zu S03: Erklärung in der Soziologie) Vielzahl von Einflussfaktoren (1 P) führt zu probabilistischen Erklärungen (1 P) und dem Auseinandernehmen von Erklärungen in Mechanismen (1 P), ausserdem ist menschliches Handeln ein wichtiger Bestandteil (1 P).
In einem Feldexperiment haben Tobias Wolbring et.al. untersucht, wie in der Rush-Hour im Münchner Hauptbahnhof darauf reagiert wird, wenn Menschen auf der rechten Seite der Rolltreppe stehen blieben statt weiterzugehen. Sie nahmen an, dass es eine informelle Norm gibt, auf Rolltreppen nur links stehenzubleiben. (Im Münchner Hauptbahnhof sind keine Hinweise auf solch eine Norm installiert.)
Leiten Sie aus dieser Beschreibung des Feldexperimentes für die Menschen, deren Ver- halten untersucht wurde, (a) eine von Wolbring et.al. erwartete innere Bedingung, (b) eine von ihnen erwartete Handlungsopportunität und (c) eine von ihnen erwartete weitere äus- sere Bedingung des Handelns ab. (3 P)
(zu S05: Rationalität) (a) Kenntnis der informellen Norm, (b) Möglichkeit, den stehen- bleibenden Vordermann anzusprechen oder nicht, (c) Zeitdruck in der Rush-Hour.
(zu S03: Erklärung in der Soziologie) Erklärungen sind allgemein Antworten auf Fragen nach Gründen (Warum-Fragen). (1 P) Wenn Erklärungen direkt testbar sind, gibt es zwi- schen wissenschaftlichen und alltagssprachlichen Erklärungen keinen Unterschied. (1 P) Wenn Erklärungen nicht direkt testbar sind, ermöglicht die wissenschaftliche Erklärung, auf allgemeingültige Gesetze zurückzugreifen. (1 P)
Diffusionsprozesse: Diese Prozesse bezeichnen die Verbreitung bestimmter Merkmale (Krankheiten, Objekte, Verhaltensweisen) in einer Population. Nehmen wir als einfachstes Beispiel eine ansteckende Krankheit. Zu Beginn des Prozesses ist niemand mit der Krankheit infiziert, dann stecken sich ein oder wenige Personen, aus welchen Gründen auch immer an, diese infizieren dann mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit andere Personen mit denen sie zusammentreffen, so dass es zu einem exponentiellen Anstieg der Ansteckungen kommt. Wenn aber immer mehr Personen angesteckt sind, nimmt die Zuwachsrate ab. Typisch für Diffusionsprozesse ist daher eine S-förmige Verlaufskurve.
gibt es die Möglichkeit selektiver Anreize:
– soziale Anerkennung
– gutes Gewissen
– emotionale Hochstimmung
Das sind private Güter:
– man kann andere ausschliessen
– mitunter werden sie weniger, wenn mehr andere davon profitieren
Sie werden wesentlich in Kommunikationsnetzwerken erzeugt.
– D.h. zu ihrer Produktion ist es wichtig, wie viele andere schon daran beteiligt sind.
Die Machtressourcentheorie behauptet, dass insbesondere das Machtverhältnis zwischen Arbeit und Kapital zentral für die Erklärung wohlfahrtsstaatlicher Institutionen sei (empirisch gut bestätigt, aber vermutlich nicht ausreichend).
Institutionen können als Resultat der Verhandlungen zwischen interessengeleiteten Akteuren verstanden werden. Die Interessen der unterschiedlichen Akteure gehen dabei aber typischerweise nicht in gleichem Masse ein, sondern gewichtet mit ihrer Macht in der Gesellschaft (Bewertung der den Akteuren zur Verfügung stehenden Ressourcen). In der Regel geht es hier auch nicht um individuelle Akteure, sondern um korporative oder kollektive Akteure, die in politischen Arenen miteinander verhandeln. Mehrebenenerklärung:
1. Wie kommen Verhandlungsergebnisse zwischen kollektiven Akteuren zustande?
2. Wie kommt die Unterstützung für kollektive Akteure in der Bevölkerung zustande?
Rationale Akteure beteiligen sich also an der Herstellung öffentlicher Güter
– nicht wegen ihres Beitrages zur Herstellung der öffentlichen Güter
– sondern weil sie selektive Anreize erhalten, die private Güter sind
– z. B. soziale Anerkennung, gutes Gewissen, emotionale Hochstimmung
(a) Die Untersuchung schichtspezifischer Erwartungen zum Erfolg des Gymnasialbesu-
ches sind ein Beispiel für eine Homo-Oeconomicus-Annahme.
(b) Die Werterwartungstheorie ist ein Beispiel für eine sogenannte „weite“ Vorstellung
von Rationalität.
(c) Durch das Beispiel ist die Theorie rationalen Handelns (Rational-Choice-Theorie) in
dieser Hinsicht widerlegt.
Welche Aussagen sind richtig: (3 P)
(zu S05: Rationalität) nur (b). (a) ist falsch, weil keine vollständige Information vorliegt, (c) ist falsch, weil die weite Version und speziell die SEU-Theorie ein Spezialfall der Ra- tional-Choice-Theorie sind. Die 3 Punkte werden nur gegeben, wenn „nur (c)“ ange- kreuzt wurde.
□ nur (a) □ nur (b) □ nur (c) □ (a) und (b)
□ (a) und (c) □ (b) und (c) □ alle drei □ keine
Aufgabe 15 / ÜBUNGSFRAGEN
Auf einer Konferenz im November 2015 gab es eine Diskussion zwischen Hartmut Esser und Karl Dieter Opp. Letzterer hatte die Notwendigkeit kausaler Brückenhypothesen be- tont, ersterer hielt dagegen, Brückenhypothesen müssten nur gut bestätigt sein, aber nicht notwendig kausal. Wenn man soziologische Erklärungen als Spezialfall von Mechanis- men (im Sinne von Daniel Little) auffasst, aus wessen Seite muss man sich dann in dieser Diskussion schlagen? Begründen Sie! (3 P)
(zu S03: Erklärung in der Soziologie) Auf die Seite von Opp (1 P), denn Mechanismen nach Little sind Ketten von Kausalzusammenhängen (1 P), und wenn man soziologische Erklärungen als Mechanismen auffasst, muss auch die Logik der Situation kausal gefasst werden. (1 P)
In welchen fünf Varianten gehen wir nach einer Hypothesenprüfung mit der Theorie um, aus der die Hypothese abgeleitet worden war? (5 P)
(zu S04: Theorie und Empirie) erfolgreicher Test führt zu Bestätigung der Theorie (1 P), negativer Test kann an Spezifika des Einzelfalls (1 P) oder an der Korrektheit der Empi- rie (1 P) liegen, oder aber zur Ablösung (1 P) oder kreativen Weiterentwicklung (1 P) der Theorie führen.
Was sind nun aber die Bedingungen für die Entstehung sozialer Normen?
1. Existenz einer sogenannten Externalität(nichtintendierte)
Nebenfolge des Handelns.diese schafft das Bedürfnis nach einer Norm.
2. Damit aber das oben genannte Trittbrettfahrerproblem gelöst wird, benötigt es Handlungsanreize, die Menschen zur Durchsetzung der Norm bewegen:
Bei informellen Normen: Versucht der Beseitigung der Externalität. Bei formellen Normen: Soziale Anreize durch persönliche Netzwerke.
Die wiederholte Behauptung und Sanktionierung von Normen führt zu einer Internalisierung der Norm.
(zu S04: Theorie und Empirie) nur (c). Hinweise: (a) Aussagen über Definitionen können z.B. Aussagen über die Verwendung von Definitionen in der Realität sein, (b) ist eine intensionale Definition, (c) eine Theorie muss immer eine nicht-leere Teilmenge testbarer Aussagen haben, und Definitionen sind nicht testbar. Die 3 Punkte werden nur gegeben, wenn „nur (c)“ angekreuzt wurde.
Die vier Formen des Sozialkapitals nach James Coleman kann man in eine 2x2-Matrix mit der einen Dimension „Reichweite der wechselseitigen Erwartungen“ und einer weite- ren Dimension eintragen. Zeichnen Sie die Matrix, benennen Sie beide Dimensionen und die jeweiligen Ausprägungen und tragen Sie die folgenden Sozialkapitalbestandteile in jeweils in das richtige Feld ein: (4 P)
(a) das Eigentumsrecht
(b) Mitgliedschaft in Vereinen
(c) Soziale Netzwerke im Sinne von Ronald Burt
(zu S08: Ressourcen und Strukturen) Die zweite Dimension ist „Soziale Entfernung“. (a) gruppenbezogen/weit, (b) gruppenbezogen/nah, (c) individuell/weit.
Normen haben den Charakter eines öffentlichen Gutes. Wenn eine Norm gilt und das Handeln der Adressaten steuert, dann profitieren alle Nutzniesser davon und können davon auch nicht ausgeschlossen werden.Trittbrettfahrerproblem erster Ordnung
Für die Durchsetzung von Normen braucht man aber auch Personen, die zur Sanktionierung von Normverstössen bereit sind. Auch hier handelt es sich um ein öffentliches Gut. Trittbrettfahrerproblem zweiter Ordnung.
(zu S08: Ressourcen und Strukturen) Konsolidierung (1 P), weil die gesamte Zuordnung zu nominalen Parametern (1 P) an Kapitalausstattungen (1 P) und damit graduelle Sta- tusunterschiede (1 P) geknüpft ist.
Von der Verteilung dieser Bereitschaft (den Schwellenwerten) zur Teilnahme an Protesten hängt dann letztlich das Zustandekommen eines Protestes ab.
Auch eine Bankpanik wird von einer bestimmten Verteilung von Schwellenwerten abhängig sein.